1990 - Die Erstbeschreibung

PHRAGMIPEDIUM XEROPHYTICUM,
UNA NUEVA ESPECIE DEL SURESTE DE MEXICO

eine neue Art aus dem südöstlichen Mexiko

Orquidea (Mex.) 12:1-10. 1990

Phragmipedium xerophyticum,

Miguel Angel Soto, Gerardo A. Salazar & Eric Hágsater

Abstract
Die neue Art, Phragmipedium xerophyticum, wird beschrieben. Die Pflanze hat offenbar keine nahen Verwandten und ist gekennzeichnet durch xeromorphe [an Trockenheit angepasste] Pflanzen, längliche Rhizome, fleischige, kurze, starre Blätter, Blütenstände mit gestauchten Blütentrauben, kleine, weisse und rosafarbene Blüten, linear-bandförmigen Blütenblätter, eine kelchförmige, rundliche, aufgeblasene Lippe und einen einkammerigen Fruchtknoten mit parietaler Plazentation. Die möglichen Verwandtschaftsbeziehungen werden diskutiert.

Das Herbarium der AMO erhält laufend pflanzliches Material zur Bestimmung. Dieses Material enthält oft sehr interessante Proben und ist eine sehr wertvolle Quelle für unsere Arbeit. Unter dem Material, das von der Gruppe der Mitarbeiter von Dr. Thomas Wendt vom Colegio de Postgraduados de Chapingo gesammelt wurde, überraschte uns das Vorhandensein einer sehr eigentümlichen Pflanze, die wir zunächst aufgrund des Fehlens von Blüten nicht bestimmen konnten. Sie bestand aus kleinen Blattfächern, die durch lange Rhizome verbunden waren und einen stark behaarten apikalen Blütenstand hervorbrachten. Diese Merkmale legten nahe, dass es sich um eine Cypripedioide handeln könnte, und unsere Neugierde wuchs. Fotokopien des Exemplars wurden an eine Reihe von Spezialisten geschickt, darunter auch an Dr. Robert Dressler, in der Hoffnung, dass sie Hinweise auf die Identität geben könnten.

Kurz darauf entdeckte Rolando Jiménez von der AMO ein Exemplar aus derselben Sammlung, allerdings mit einer Blüte, die bestätigte, dass es sich um eine Cypripedioideae, wahrscheinlich ein Phragmipedium, handelt.

Angesichts eines solchen Fundes beschlossen wir, so bald wie möglich eine Exkursion zum Fundort zu organisieren, um lebendes Material einer so interessanten Pflanze zu erhalten. Die Biologin Patricia Vera Caletti erklärte uns, wie wir mit Herrn Heriberto Hernández, dem Sammler der Pflanze, in Kontakt treten können. Sie wies uns auch darauf hin, dass es in der Regenzeit schwierig ist, in die Region [um diese neue Art zu schützen, wird der genaue Fundort weggelassen] zu gelangen, da es wegen des hohen Wasserstandes der Flüsse keine Durchfahrt für Fahrzeuge gibt.

Nachdem wir Herrn Hernández ausfindig gemacht hatten, führte er uns freundlicherweise zu der Stelle, an der er Jahre zuvor die Pflanze gesammelt hatte, für die wir uns interessierten. Die Region, in der sie gesammelt wurde, weist eine sehr reiche und vielfältige Vegetation au. Neben dem immergrünen Hochwald, den man in einer feuchtwarmen Region auf 300 m Höhe erwarten würde, gibt es auch ausgedehnte Eichen-, Kiefern- und Liquidambar-Wälder; ein sehr beeindruckendes Mosaik für jeden Botaniker. In bestimmten Teilen in der Nähe der Flüsse gibt es schroffe Karstgebiete, die spärliche Geröllhalden bilden, mit einer spärlichen und eher xeromorphen Vegetation. In den Felsspalten, in denen sich der Humus ansammelt, wachsen kleine Bäume wie Bursera simaruba, Plumeria rubra, Pseudo-bombax ellipticum und trotz der sonst feuchten Umgebung die ungewöhnliche Präsenz von Beaucarnea, Yucca, Agave und Acanthocereus. Dieses besondere Biotop ist der Lebensraum der Pflanze, über die wir jetzt sprechen.

Die Pflanze ist keineswegs zahlreich, und es dauerte eine Weile, bis wir die ersten Exemplare fanden, die glücklicherweise in Blüte standen. Wir konnten sofort feststellen, dass es sich um eine neue Art von Phragmipedium handelt, die sich von allen bisher beschriebenen Arten unterscheidet. Es handelt sich um sehr kleine Pflanzen mit einer sehr deutlichen vegetativen Vermehrung, und die Blüten sind – ebenfalls sehr klein, weiß, rosa gesprenkelt. Die Lippe ist aufgeblasen, kugelig, zart, am Rande gekrümmt, weist eine unebene Oberflächenstruktur auf und erinnert an die Lippe einiger Cypripedium-Arten oder an die von Paphiopedilum micranthum T. Tang & Wang und ihren Verwandten. Die einzigen Phragmipedium-Arten, bei denen ein solches Labellum vorkommt, sind P. schlimii (Linden & Rchb. f.) Rolfe und P. besseae Dodson & Kuhn, aber diese Arten haben sehr ausgeprägte breite Blütenblätter. Ihre Beschreibung ist weiter unten zu finden:

Phragmipedium xerophyticum Soto, Sala zar &Hágsater, sp. nov.

Pflanze: Relativ kleines, klonal wachsendes, rupikolöses [auf Stein wachsendes] Kraut, bestehend aus zweizeiligen Sprossen und langgestreckten Rhizomen, etwa 15-20 cm hoch und wahrscheinlich bis zu 1,0 m2 gross.

Wurzeln einfach oder spärlich verzweigt, schlank, hellbraun oder weisslich, kahl oder behaart auf der mit dem Substrat in Berührung kommenden Oberfläche, stark am nackten Gestein haftend oder in den Humus eindringend, nur von der Basis der Sprosse ausgehend und am Rhizom fehlend, bis zu 0,8 mm dick und 11 cm lang.

Rhizom sehr kompakt, langgestreckt, fast gerade, hart und spröde, besteht aus 5-12 Internodien, die von ebenso vielen Blattscheiden bedeckt sind. Durchmesser 1-2 mm, Länge zwischen den einzelnen Sprossen 3-8 cm.

Rhizomscheiden zahlreich, narbig, auffällig geädert, bräunlich, röhren- oder etwas trichterförmig, stumpf oder spitz, gekerbt, locker, in Abständen oder überlappend, kettenförmig, 6-9 mm lang.

Sprosse aus 5-8 zweizeiligen Blättern, welche 3-4, gelegentlich bis zu 12 cm hoch und 6,5- 13 cm breit sind.

Blätter stark konvex, bandartig, Spitze ungleich, stumpf, bespitzt, Blattoberfläche gekerbt, sehr starr, hellgrün, wenn sie einmal tot sind, verbleiben sie scheinbar lange am Spross, braun werden, die basalen Blätter klein, Zwischenform zwischen Rhizomscheide und Laubblatt, obere Blätter allmählich grösser werdend, 3,5-12 cm lang und 1,2-1,8 cm breit, ca. 1 mm dick.

Blütenstand endständig, Stiel aus 2 Internodien gebildet, im Querschnitt elliptisch; ein Blütenstand mit 2 Blütenrispen (selten nur eine Blütenrispe), wobei sich die obere Blütenrispe zuerst entwickelt, und erst später die untere, wahrscheinlich wenn die apikale keine Blüten mehr bildet; Behaart, mit mehrzelligen Haaren unterschiedlicher Länge, rötlich-braun, in der Nähe der Blütenscheide reichlicher, zur Spitze hin allmählich weniger reichlich und auch mehr angewachsen, bis die Oberfläche praktisch kahl oder leicht warzig ist; Gesamtlänge des Blütenstandes 6,5-13,5 cm, 1- 1,3 mm dick.

Blütenstands-Hüllblatt 1, etwa auf halber Höhe des Blütenstiels, konkav, am Grund röhrenförmig, an der Spitze breit gerundet oder mit Fortsatz, nicht gegliedert, gelblich, am Grund dicht behaart, allmählich mit wenigen anhaftenden Haaren, medial mit kurzen Wimpern, apikal kahl, 8-15 mm lang.

Rhachis [Ährenspindel] stark verkürzt mit etwa 3-7 aufeinanderfolgenden Blüten, immer nur eine Blüte geöffnet, ca. 12-15 mm lang;

Blütenhüllblätter imbrikat [dachziegelartig], zweizeilig, stark konduplikat, zylinderförmig, mit kaudalem, zurückgebogenem und verdicktem Apex, dunkelbraun, behaart und bewimpert, die Haare vielzellig, rötlich, 4-5-fach geadert; wenn gespreizt (was nicht ohne eine gewisse Beschädigung möglich ist) breit dreikantig, 4-5 mm lang, 5 mm breit, allmählich kleiner zum Apex hin.

Stiel kurz, fast vollständig von den Hüllblättern verdeckt, sehr steif, geneigt, behaart, die Haare sind vielzellig, 2,5-3 mm lang, in der Mitte 0,8 mm dick, zur Abbruchzone des Fruchtknotens hin breiter werdend.

Fruchtknoten einkammerig (im Querschnitt basal, medial und apikal), Plazentation parietal; dreizählig, sehr länglich, zur Basis und zum Apex hin abgeschwächt, dicht behaart, die Haare vielzellig, rosa, ca. 2,7-2,8 cm lang, 1,5 mm an der dicksten Stelle.

Blüte klein, auffällig, nicht duftend, sehr ähnlich Cypripedium californicum, 1,3-2,5 cm hoch, 1,5-2,0 cm im Durchmesser.

Das Perianth fällt ab und hängt herunter, obwohl die Blüte scheinbar frisch ist; es ist weiss, rosa überhaucht und sehr schwach strukturiert.

Sepalen gekielt, die seitlichen für gewöhnlich vollständig zu einem Synsepalum verwachsen, gelegentlich ist die Verbindung nicht vollständig, die abaxiale Oberfläche ist glatt, die adaxiale Oberfläche ist auffallend behaart, die Haare sind vielzellig, dichter und länger zum Apex hin und in der Nähe der Trennungszone mit dem Fruchtknoten.

Dorsales Sepalum nach vorne gerichtet, elliptisch, Apex spitz-subakut, gekerbt und leicht verdickt, 7-8-fach geadert, Adern verzweigt und zum Apex hin anastomosierend, konkav, 9- 14 mm lang und 5-6,5 mm breit.

Synsepalum  abwärtsgerichtet, suborbikular, stumpf (oder, wenn die Verschmelzung nicht vollständig ist, mit 2 nebeneinander liegenden Spitzen), spitz zulaufend und am Apex verdickt, 12-nervig, Adern verzweigt und zum Apex hin anastomosierend, konkav, 8-9,5 mm lang und 8,5-12 mm breit.

Petalen linealisch-bandartig, spitz, gewölbt, manchmal etwas nach unten gebogen, nicht oder nur leicht verdreht, Rand gewellt, fünfnervig, kahl oder an der Basis bewimpert, 11-15 mm lang, 2,5-3 mm an der breitesten Stelle.

Labellum [Lippe] kelchförmig, bauchig, aufgebläht, entlang der Adern im Bereich der Öffnung leicht gefurcht, sehr zart in der Textur; Aussenseite glatt, die Innenseite in der Nähe der Basis auffällig behaart, mit drüsigen, vielzelligen, leuchtend purpurnen, sehr attraktiven Drüsenhaaren, zur Unterseite des Labellums hin sind die Haare deutlich reduziert, setzen sich entlang der Mittellinie fort und sind weiss und scheinbar dünner und spärlicher und gebündelt; Basalränder (um das Austrittsloch herum) aufrecht, etwas zurückgebogen und verdickt; Apikalrand gekrümmt; Eintrittsloch klein, eiförmig, ca. 2 x 3 mm; die Ränder der Lippe sind nicht sehr lang. 2 x 3 mm; Seitenlappen klein, einwärtsgebogen, breit dreieckig, subakut, ohne Verdickung an den Rändern, noch Auswüchse (Hörner), noch hohle, wulstige Bereiche bildend, aneinanderhaftend, ca. 3 mm. Ein- und Austrittslöcher gut abgrenzend; Labellumoberfläche ohne „Fenster“ oder transparente Bereiche; Gesamtlänge des Labellums 10-14 mm, 6-8 mm hoch, 7-9 mm breit.

Columna [Gymnostemium] kurz, Gynoeceum und Androeceum nur 1-2 mm verwachsen, fast vollständig die Austrittsöffnung verdeckend.

Narbe gekrümmt, abwärtsgerichtet, fleischig und massiv, bestehend aus einem annähernd dreilappigen Körper mit einer waagerechten Fläche vor dem Staminodium, versehen mit einem wenig auffälligen Längsrand und mit mehrzelligen Trichomen, die in der Nähe des mittleren Teils länger sind; die Spitze des Körpers ist nach unten gerichtet und längs gesägt;

Narbenlappen, die ein mehr oder weniger fächerartiges, apikales Gebilde formen, das über die Staminodien hinausragt, dick, konkav, eiförmig-dreieckig; auf der abaxialen Oberfläche dicht behaart, auf der adaxialen Oberfläche mit winzigen Papillen, die seitlichen Lappen auf zwei unauffällige Ränder auf der Unterseite reduziert; 4-5 mm lang, 1. 0-1,3 mm an der breitesten Stelle.

Die Staubblätter haben 2 fertile Staubgefässe und eine petaloide Staminodie. Antheren auffallend gestielt (ca. 1 mm) konvex, breit 3-lappig, Apex subakut und abgerundet, der Länge nach eingeschnitten und auf der Aussenseite kahl, violett oder purpurn; mit einer axialen Rippe auf der Innenseite, mit zwei Gruppen von vielzelligen, langen, hellpurpurnen Haaren entlang der Rippe, der Rest der Innenseite glatt; Seitenlappen verlängert und nach unten gerichtet, annähernd quadratisch, mit leicht gerötetem Rand; insgesamt 3 mm lang, 4-5 mm breit.

Staubbeutel 2, jeder am Ende eines länglichen Stiels, breit, kurz, leicht gebogen, fleischig, kahl mit Ausnahme des leicht papillösen Apex; der eigentliche Staubbeutel steht senkrecht zur Columna und ist durch einen sehr kleinen Bereich mit dieser verbunden; eiförmig-dreieckig, etwas gekielt, spitz oder stumpf, fleischig, weiss, der Apex nach unten und aussen gerichtet; mit 2 ventralen, braunen, saugnapfartigen Zonen, in denen die Pollinien sitzen, getrennt durch eine Rille, die sich im apikalen Teil der Antheren zu einer Vertiefung fortsetzt; ca. 1 mm lang.

Pollinien 2 in jeder Anthere, aneinanderhaftend, eine ovale, abgeschrägte Struktur bildend, körnig, gelblich, 0,5 x 0,4 mm.

Reife Kapsel nicht bekannt, die jungen Kapseln ähnlich dem Fruchtknoten, aber etwas dicker.

Alte Fotografie von Mexipedium xerophyticum
Alte Fotografie des Habitats von Mexipedium xerophyticum
Alte Fotografie von Mexipedium xerophyticum
Alte Fotografie von Mexipedium xerophyticum

Holotypus: Mexiko: Oaxaca: Dschungel am Hang des Golfs von Mexiko, 320 m ü. M., xerophytische Vegetation aus Agave, Beaucarnea, Bursera simaruba, Plumeria und Pseudobombax ellipticum, in der Karstzone, umgeben von immergrünem Hochwald und tropischen Steineichenwäldern; an Felsen wachsende Pflanze, selten, 6. September 1988, G.A. Salazar 3740, M.A. Soto. E. Yañez und H. Hernández, AMO! ISOTYP: K!

Andere Exemplare: Mexiko: Oaxaca: Gleicher Ort und gleiches Datum, G.A. Salazar 3742, M.A. Soto, E. Yañez und H. Hernández, US! Typusort, 24. September 1985, Heriberto Hernández G. 1602, CHAPA!

Verbreitung: Endemisch in Mexiko. Bisher nur von einem Standort in der feuchtwarmen Region von Oaxaca bekannt.

Ökologie: Es handelt sich um die xeromorphste Art der Gattung. Ihre klonale Ausbreitung ist sehr auffällig, und im Laufe der Zeit werden mehrere Pflanzenteile unabhängig. Dies muss ein Vorteil für die Population sein, da die Etablierung von Sämlingen in dieser offensichtlich saisonalen Umgebung ein seltenes Ereignis sein könnte. Diese Art des Wachstums wurde auch für andere Arten der Unterfamilie Cypripedioideae mit zweizeiligen Blättern beschrieben, wie Paphiopedilum druryi Bedd., Phragmipedium pearcei (Rchb.f.) Rauh und P. besseae. Der Lebensraum von Phragmipedium xerophyticum ähnelt in mancher Hinsicht dem, der für Paphiopedilum druryi beschrieben wurde. Die Pflanzen wurden in den oberen, baumlosen Teilen des Gerölls beobachtet, aber nie an völlig exponierten Stellen, sondern an senkrechten Wänden mit Nord- und Ostexposition, in kleinen Spalten mit Humusansammlung oder auf nacktem Fels. Keine der beobachteten Pflanzen erhielt direkte Mittagssonne. Die robustesten Pflanzen wuchsen im Humus mit Selaginellas und Pitcairnias.
Die Region erhält das ganze Jahr über ca. 2500 mm Niederschlag bei einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von ca. 25° Celsius. Im Frühjahr gibt es eine ausgeprägte Trockenzeit.

Blütezeit: Die Pflanzen blühten vor Ort im September, und die Blütezeit erstreckt sich wahrscheinlich über die Monate der Regenzeit. Während des Sammelns wurden einige kleine Wespen um eine Blüte herum beobachtet; es wurde jedoch nicht beobachtet, dass sie in die Blüte eindrangen. Die Blüten sind offenbar nicht selbstbestäubend, obwohl zahlreiche Kapseln gebildet werden.
Der Bestäuber sollte klein sein, gemessen an der Grösse des Einfluglochs. Cribb (1987) hat vorgeschlagen, dass die sehr ähnlichen Blüten von Cypripedioideae mit kugelförmig aufgeblasener Lippe (Cypripedium irapeanum Llave & Lex.., Phragmipedium schlimii, Paphiopedilum micranthum usw.) das Ergebnis von Anpassungen an ähnliche Bestäubungsformen sein könnten, wobei er feststellte, dass die Blüten mit dieser Art von Struktur wahrscheinlich eher von Bienen (Halictidae bei C. irapeanum) als von Fliegen bestäubt werden, wie es offenbar bei vielen Paphiopedilum-Arten der Fall ist.

Bestimmung: Die Kombination aus sehr kleinen, 1,5-2 cm grossen, weissen und rosafarbenen Blüten und den länglichen Rhizomen der Pflanze machen sie unverwechselbar. Die andere mexikanische Art von Phragmipedium, P. exstaminodium, ist so stark abweichend, dass es unmöglich ist, sie zu verwechseln, da es sich um eine gelbblühende, epiphytische Pflanze mit Erd- und Kastanientönen handelt, deren Blütenblätter 25-45 cm lang sind. Die andere Art der Gattung mit weiss-rosa Blüten ist P. schlimii aus Kolumbien, das aber leicht von ihm zu unterscheiden ist, weil die letztere breit eiförmige bis rundliche Blütenblätter besitzt.

Anmerkungen: Merkmale, die als charakteristisch für die Gattung Phragmipedium angesehen werden (nach Atwood 1984), sind (1) die valvaten Sepalen, (2) das Fehlen von gebogenen Epidermiszellen im Perianth, (3) die seitlichen Lappen des Labellums, die miteinander verwachsen sind, und (4) Synsepalen, die grösser sind als das dorsale Sepalum. Alle diese Merkmale sind bei der neuen Pflanze vorhanden. Mit Ausnahme der Taxa des P. caudatum (Lindl.) Rolfe-Komplexes haben alle Arten eine oder mehrere sterile Blattscheiden am Blütenstand; bei P. xerophyticum bildet die Blattscheide am Blütenstiel gewöhnlich eine neue Blütentraube. Ausser bei P. schlimii haben alle Phragmipedium-Arten zwei hohle Bereiche in der Nähe der Basis des Labellums; diese hohlen Bereiche fehlen auch bei Phragmipedium xerophyticum.

Ein sehr ungewöhnliches Merkmal von Phragmipedium xerophyticum ist das Vorhandensein eines einkammerigen Fruchtknotens mit parietaler Plazentation (die in Querschnitten an der Basis, in der Mitte und am Scheitel der Ovarhöhle zu sehen ist). Diese Art von Fruchtknoten kommt bei Paphiopedilum und Cypripedium vor, wird aber für keine Art von Phragmipedium berichtet, wo der Fruchtknoten immer als dreikammerig und mit axillärer Plazentation beschrieben wurde. Atwood (1984) erwähnt, dass bei Paphiopedilum und Cypripedium Zwischenformen zwischen ein- und dreikammerigen Fruchtknoten vorkommen (einkammerig in der Mitte, aber mit zwei oder mehr Kammern an den Enden), so dass die Hervorhebung dieses Merkmals nicht gerechtfertigt ist. Derselbe Autor stellt bei einem Präparat von Phragmipedium schlimii eine unvollständige Verschmelzung zwischen benachbarten Kammern fest, was darauf hindeutet, dass dies ein erster Schritt in der Entwicklung der parietalen Plazentation ist.

Mit Ausnahme des einkammerigen Fruchtknotens passen alle anderen Merkmale von Phragmipedium xerophyticum gut zu Phragmipedium, aber es ist nicht einfach, es in eine der vorgeschlagenen Sektionen einzuordnen. Die Gattung ist nach Atwood (1984) in drei Sektionen unterteilt, Micropetalum, Phragmipedium und Lorifolia, obwohl Garay (1979) die von Atwood der Sektion Lorifolia zugeordneten Arten in drei verschiedene Sektionen aufteilt. Die Sektion Phragmipedium hat Blüten mit stark verlängerten Petalen, deren Wachstum nach der Blütenentfaltung mehrere Tage andauert. Die Blüten öffnen sich gleichzeitig und die Blütenstände sind unverzweigt. Diese Sektion hat mit P. xerophyticum, abgesehen von den Gattungsmerkmalen, wenig gemeinsam. Die Sektion Lorifolia ist etwas ähnlicher, aber immer noch unterscheidbar, da sie Pflanzen mit länglichen Blättern umfasst, deren Blüten grundsätzlich in Grün gehalten, jedoch rötlich angehaucht sind. Das Labellum ist pantoffelförmig, nicht aufgeblasen, hat hohle Bereiche und bei einigen Arten gut entwickelte Härchen. Die Blütenblätter sind länglich, oft mit nach Urin duftenden Spitzen. Ähnlichkeiten mit dieser Sektion beschränken sich auf das Vorhandensein von länglichen Rhizomen (z. B. P. pearcei), die verzweigten Blütenstände, sowie auf die allgemeine Form der Blütenblätter. Es gibt einige Ähnlichkeiten mit den beiden Arten der Sektion Micropetalum (Phragmipedium schlimii und P. besseae); siehe Atwood 1984; Dodson und Kuhn 1981; Hegedus und Stermitz 1986). Weisse Blüten mit rosa Farbtönen sind nur von Phragmipedium schlimii und xerophyticum bekannt. Auch die aufgeblähte, unstrukturierte Lippe kommt nur bei diesen drei Arten vor. Es gibt jedoch einige bemerkenswerte Unterschiede zwischen P. schlimii-P. besseae und P. xerophyticum. Der Aufbau des Blütenstandes ist vollkommen anders: Bei Micropetalum gibt es aufeinanderfolgende Einzelblüten mit grossen blattartigen Hüllblättern, ganz anders als bei den rispenförmigen Blütenständen von P. xerophyticum mit verkürzten Blütentrauben und unauffälligen, stark behaarten kleinen Hüllblättern. Der Sektionsname Micropetalum, kleines Blütenblatt, bezieht sich auf das Vorhandensein von Blütenblättern, die viel kleiner sind als bei den anderen Arten der Gattung und die eine rundlich-ovale Form haben, also nicht langgestreckt sind. Der neuen Pflanze fehlen auch die „Fenster“ (durchscheinende Bereiche) an den Seiten und auf der Rückseite der Lippe. Bei P. schlimii und P. besseae ist die Oberfläche der gesamten Blüte auffällig behaart, während sich bei P. xerophyticum die behaarten Oberflächen auf die Aussenseite der Kelchblätter beschränken, obwohl sich einige Trichome [Pflanzenhaare] am Basalrand der Blütenblätter und auf der Innenseite der Lippe befinden. Die Staminodien von P. xerophyticum sind kahl und ähneln eher denen von P. boissierianum (Rchb. f.) Rolfe (Lorifolia) als denen von P. schlimii oder P. besseae (die ebenfalls auffallend behaart sind). Obwohl die Blätter von Pflanzen der Sektion Micropetalum im Allgemeinen kürzer und breiter sind als bei den anderen Phragmipedien und die Pflanzen das Aussehen von Paphiopedilum haben, erreichen sie nicht den kompakten, xeromorphen Wuchs von P. xerophyticum. Die stark gegliederten Blattepidermiszellen, die für P. schlimii beschrieben wurden, fehlen offenbar ebenfalls. Die Ähnlichkeit zwischen den Blüten von P. schlimii und P. xerophyticum könnte auf die gleichen Ursachen zurückzuführen sein, die Cribb (1987) zur Erklärung der aufgeblähten Lippe bei allen Cypripedieae-Gattungen nennt.

Botanische Illustration von Mexipedium xerophyticum

Das neue Phragmipedium ist geografisch recht weit von seinen übrigen Verwandten entfernt. Die Art mit der nächstgelegenen Verbreitung ist P. exstaminodium aus der Sektion Phragmipedium. Auch keine der mittelamerikanischen Arten scheint eng verwandt zu sein.

Diese Art ist unter verschiedenen Gesichtspunkten sehr interessant, und es sollte erwähnt werden, dass das Vorhandensein einer Pflanze, die offenbar in der feuchtwarmen Zone Mexikos endemisch ist, ein ungewöhnliches Ereignis ist, da die Arten aus diesen Regionen normalerweise mindestens bis nach Mittelamerika reichen.

Ethymologie: Das spezifische Epitheton, xerophyticum, spielt auf den relativ trockenen Lebensraum dieser Art (im Vergleich zu den Lebensräumen seiner Verwandten) und auf seine vegetative Morphologie an.

Schutzstatus: Vom Aussterben bedroht. Wenn wir das von Rabinowitz et al. (1986) beschriebene Seltenheitskriterium anwenden, lässt sich festhalten, dass es sich um eine sehr seltene Pflanze handelt, da ihre geografische Verbreitung (soweit wir wissen) sehr begrenzt ist (ein Standort), sie auf einen bestimmten Lebensraum beschränkt ist (sie wächst nur in exponierten Karstgebieten) und ihre Populationen sehr klein sind (es sind nicht mehr als 7 Klone bekannt). Phragmipedium xerophyticum ist in der freien Natur so selten, dass alle bekannten Pflanzen in wenigen Stunden auf dem Feld gesammelt werden können; jede Entnahme von Wildpflanzen könnte sehr schädliche Auswirkungen haben. Es wird empfohlen, das Sammeln von Wildpflanzen so weit wie möglich zu vermeiden, auch für wissenschaftliche Arbeiten. Einige Pflanzen wurden bereits an anerkannte Züchter verteilt, und man hofft, Saatgut an spezialisierte Baumschulen und botanische Gärten verteilen zu können, um keinen Sammeldruck auf die natürlichen Populationen auszuüben. Vor kurzem (CITES-Pflanzenausschuss, 7. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien in Lausanne, Schweiz, 9. bis 20. Oktober 1989) wurden alle Paphiopedilum- und Phragmipedium-Arten in den CITES-Anhang I aufgenommen. Obwohl diese Massnahme wahrscheinlich sehr radikal ist, scheint sie zumindest für so seltene Pflanzen wie die mexikanischen Phragmipedien angemessen.

Danksagung: Wir danken Herrn Heriberto Hernández für die Führung zu dem Ort und den örtlichen Behörden für die Erleichterungen, die sie uns während unseres Aufenthalts in der Region gewährten. Patricia Vera Caletti und Thomas Wendt versorgten uns mit Informationen über die Region. Elvira Yañez beteiligte sich mit grossem Engagement an der Sammelaktion. Rolando Jiménez bereitete die Illustration vor. Wir danken auch Lucile McCook, Ed Greenwood und Fernando Chiang, die wichtige Vorschläge für das Manuskript gemacht haben.

Botanische Illustration von Mexipedium xerophyticum
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